5 Jahre nach dem Ausbruch der Pandemie - Folge6: die notwendigen Konsequenzen
Nach dem Osterlockdown und der zunehmenden Impfquote sanken im Frühling 2021 die Inzidenzien - das Schlimmste schien vorerst überstanden.
Bei mir zeigten sich immer mehr die Auswirkungen des Arbeitsmarathons, der mich in den letzten 13 bis 14 Monaten 7 Tage die Woche zumindest 18 Stunden täglich beschäftigt hat. Der Druck der enormen Verantwortung, die zunehmenden Reibereien und Auseinandersetzungen zeigten Wirkung - innerhalb von wenigen Tagen erlitt ich zweimal einen Kreislaufkollaps, der Tinnitus wurde stärker, meine Kraft und Energie geringer. Im Krankenhaus rieten mir die Ärzte, eine längere Pause einzulegen - noch waren keine nachhaltigen Schäden eingetreten. In jeder anderen Situation hatten erkrankte Regierungsmitglieder in derartigen Situationen drei Wochen Urlaub genommen, um wieder gesund und zu Kräften zu kommen. Doch das war Mitten in der Pandemie unmöglich, auch das Virus machte keine Pause.
Ich entschied mich daher dazu, aus dem Amt auszuscheiden. Eine Entscheidung, die unglaublich schmerzte, aber auch im Nachhinein richtig war. Ein Gesundheitsminister war für die Gesundheit da, auch für die eigene, und niemand war geholfen, wenn ich mich im Amt ruinierte.
Die allermeisten Reaktion waren bis heute unglaublich positiv. Zehntausende anerkennende Zuschriften, Dutzende Mohnmehlspeisen, Blumen, Urlaubsangebote, Esseneinladungen uvam waren ein schönes Zeichen. Ich beschloss mich einige Zeit ganz zurückzuziehen und dann langsam die Zeit aufzuarbeiten, in dem ich ein Buch schrieb. „Pandemia“ kam im April 2022, genau ein Jahr nach meinem Ausscheiden aus der Parteipolitik, auf den Markt und wurde zum Bestseller - mit 55 Lesungen in der Folge. Gezielt hatte ich auch Maßnahmenkritiker zu den Veranstaltungen eingeladen. Sie kamen und meist waren es gute Dialoge.
Es braucht aber mehr, es braucht eine Aufarbeitung für die gesamte Gesellschaft, nicht durch jene, die am Geschehen beteiligt und daher befangen waren, nicht nur in Österreich und auf dieser Basis ein Lernen aus der Krise. Denn die nächste Pandemie kann sehr rasch kommen.
Mein Vorschlag ist daher eine umfassende wissenschaftliche Aufarbeitung durch ECDC, Europas Gesundheitskontrolle, die dafür die Kompetenz hat, die Stärken und Schwächen des im übrigen recht ähnlichen Krisenmanagements der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten zu untersuchen.
Auf dieser Basis braucht es eine Dialogforum in möglichst vielen Gemeinden Österreichs. Hier soll diese objektive Analyse von den Gemeindebürger:innen diskutiert und durch eigene Erfahrungen ergänzt werden.
Und auf dieser Basis sollen Konsequenzen gezogen werden.
Österreich braucht anders als 2020 eine gute Vorbereitung auf eine nächste Pandemie, unter anderem durch ein neues Pandemiegesetz, das die Strukturen schafft, klarlegt, welche Organisationen gebildet und durch welche Personen besetzt werden, es braucht regelmäßiges Training dieser Strukturen für den Alarmfall (wie etwa bei der Feuerwehr oder beim Zivilschutz), es braucht eine verbesserte Verknüpfung der Gesundheitsdatensystem, um im Ernstfall handlungsfähiger zu werden, es braucht ausreichend qualifizierte Mitarbeiter:innen in den Hauptverantwortlichen Ministerien, es braucht die Verlagerung der Produktion von Schutzkleidung und Medikamenten nach Europa, um in Krisenzeiten einen raschen Zugriff zu ermöglichen, es braucht eine neue Versachlichung der Impfdebatte, es braucht eine Stärkung der Forschungstätigkeit im Gesundheitsbereich, es braucht mehr Europa im Krisenfall durch eine Mitkompetenz der EU bei schweren grenzüberschreitenden Gesundheitskrisen und es braucht einen Weltpandemievertrag, der ein wirksames schnelles Frühwarnsystem etabliert und eine globale faire Verteilung von Impfstoffen absichert. Und es braucht einen anderen Umgang mit der Natur, einen umfassenden Schutz der Biodiversität, damit Zoonosen, das Überspringen von Viren aus der Natur auf den Menschen, nicht weiter so stark zunimmt. Und schließlich braucht es im Rahmen der Forschungsinitiative und als Weiterentwicklung unseres Gesundheitssystems ein gute medizinische Betreuung und soziale Absicherung für alle Folgeerkrankungen wie Long Covid und das deutlich verstärkte ME/CFS.
Sehr viel zu tun, vieles wird zu intensiven parteipolitischen Diskussionen führen. Aber besser wir führen sie jetzt als wieder während der Pandemie, wo sie wieder Gift für die Pandemiebekämpfung wären.
Geblieben ist ein Schock für die gesamte Bevölkerung, die eine derartige Krise für nicht möglich erachtet hätte. Geblieben sind viele Millionen geretteter Menschenleben. Geblieben sind aber auch weltweit 27 Millionen Menschen, die die schwerste Gesundheitskrise seit hundert Jahren nicht überlebt haben.
ENDE.