5 Jahre nach dem Ausbruch der Pandemie - schlecht vorbereitetes Österreich
Am 25.Februar 2020 wurden in Österreich die ersten beiden Covid-Fälle bekannt. Ich war zu diesem Zeitpunkt nach nur wenigen Wochen als Gesundheitsminister einer Einladung nach Rom gefolgt und nahm an einer Konferenz der italienischen Expert:innen teil. Norditalien wurde zu diesem Zeitpunkt eine der hauptbetroffenen Regionen Europas. Als ich am 7.Jänner Gesundheitsminister wurde, hatten noch viele Expert:innen Hoffnung, dass der große Ausbruch in der Millionenstadt Wuhan wie oft davor eine regionale Epidemie bleiben würde. Die ersten, sehr späten und vereinzelten Berichte über die Lage in China hatten vieles offen gelassen. Heute wissen wir, dass der Ausbruch in China deutlich früher als geglaubt stattgefunden hatte und aufklärende Mediziner wie „Dr Wahrheit“ massiv unter Druck waren.
Doch im Lauf des Februars wurde immer klarer, dass diesmal auch Europa betroffen sein würde. Die Berichte und Prognosen im Rahmen der Expertenkonferenz in Rom stimmten mich sehr pessimistisch - vor allem die Region um Bologna und Bergamo war bereits stark betroffen, die Ausbreitungszahlen enorm.
Am zweiten Tag meines Romaufenthaltes nahm ich an einer Konferenz der Gesundheitsminister teil, zu der Italiens Roberto Speranza seine Kollegen ua aus Deutschland, Frankreichs, der Schweiz und Österreich geladen hatte. Auch hier eine sehr angespannte Stimmung. Niemand war wirklich vorbereitet, in Europa am ehesten noch Schweden. Wir nahmen uns fest vor, möglichst gut voneinander zu lernen - vor allem vom Geschehen bei den ersten Ausbrüchen - und möglichst akkordiert vorzugehen.
Am Vormittag des 25.Februar hielt ich mich gerade in der österreichischen Botschaft auf, als der damalige Tiroler Landeshauptmann Platter die ersten beiden Fälle meldete.
Österreich war auf die Pandemie besonders schlecht vorbereitet. Die internationalen Gesundheitsvorschriften der WHO für den Fall einer grenzüberschreitenden Erkrankung waren seit Jahren nicht umgesetzt, nach der Strukturreform in Gesundheits- und Sozialministerium waren laut Rechnungshof 55 Planstellen aus dem Gesundheitsministerium abgezogen und bis zur Pandemie nicht ausgeglichen worden, die Generaldirektion für öffentliche Gesundheit und damit das zentrale Krisenmanagement war seit Jahren unbesetzt, der Pandemieplan seit 14 Jahren nicht angepasst worden und das in seiner Grundfassung aus dem Jahr 1913 stammende Epidemiegesetz völlig veraltet und ungeeignet für eine Pandemie, es existierte kein Krisenstab, keine Expertenkommission.
Noch vor einem Jahr hatte ein interner Risikobericht die unzureichende Personalausstattung im Fall einer Seuche als großes Risiko bezeichnet (Quelle: RH).
Der Rechnungshof spricht daher nun davon, dass dadurch die Handlungsfähigkeit des Gesundheitsministeriums eingeschränkt war. Dafür gibt es eine klare politische Verantwortung.
Doch in ganz Europa gab es Mängel in der Vorbereitung: die EU hatte keine unmittelbare Zuständigkeit, jahrelang wurde von ganz Europa untätig zugesehen, wie die Produktionsstätten von Schutzausrüstung und von Medikamenten nach Asien abgezogen wurden und damit in der Krise kein Zugriff möglich war. Manche Staaten Europas - etwa Frankreich und Deutschland - reagierten in dieser Situation auf den Mangel an Schutzausrüstung mit der falschesten Vorgangsweise, nämlich mit Abschottung. Unvergessen wird mir etwa bleiben, dass bestellte und bezahlte Lieferungen von Masken aus Deutschland nach Österreich plötzlich an der Grenze in Suben gestoppt wurden und keine Ausfuhrgenehmigung mehr erhielten.
Es waren die Tage des Lernens, denn vieles war uns vorerst nicht bekannt - unter anderem gab es unterschiedliche Informationen über die Übertragungswege. Klar war international nur, dass Kontaktbeschränkungen die erste Konsequenz sein musste, wenn es tatsächlich zu einer Pandemie kam. Eindrucksvoll war für mich ein weltweiter Aufbruch der Wissenschaft, in offenen Strukturen Wissen über das Virus und die notwendigen Antworten zu generieren. Aber auch die Wissenschaft musste Schritt für Schritt lernen.
Wir mussten daher in diesen Wochen lernen, gleichzeitig beginnen die Versäumnisse in der Vorbereitung zu reparieren und rasch handeln. Eine enorme Herausforderung angesichts der Tatsache, dass die Pandemie nun in ganz Europa sehr schnell an Fahrt aufnahm. Oft waren es die letzten großen Veranstaltungen, die zur Ausbreitung beitrugen: der Wintersport, Konzerte, Konferenzen wie in Boston, ein internationales Fussballspiel in Mailand - wie ich in meinem Buch „Pandemia“ 2022 beschreibe.
Innerhalb nur weniger Wochen bereitete sich die erste Welle über ganz Europa aus. Niemand hatte Erfahrung. Die uns vorliegenden Prognosen waren unterschiedlich, manche aber auch dramatisch.
Morgen: die erste Welle.