Trump: vier Jahre gesicherte Unsicherheit und Rückschlag für Klimawende - Analyse & Ausblick
Nach dem Schock braucht es Trauer - dann Analyse und einen durchdachten Umgang mit der neuen Herausforderung.
Mittwoch früh war ich noch ziemlich am Boden, tagsüber sehr frustriert und am Abend erlebte ich in Freistadt einen neuen Aufbruch mit 600 Menschen, die sich für die Energiegenossenschaft des Bezirks Freistadt interessieren.
Doch alles der Reihe nach.
Die Wahlen in den USA werden noch monatelang analysiert werden. Nach Durchforsten vieler Daten (bereits in der Wahlnacht) scheint mir vieles noch offen, aber einiges auch klar zu sein.
1.Im Gegensatz zur Wahl vor vier Jahren, als Joe Biden knapp Trump besiegte, stand die Wahl diesmal unter ganz anderen Voraussetzungen:
- die Pandemie mit den schweren Fehlern des damaligen US-Präsidenten Trump und weit über 100.000 Toten war kein Thema mehr
- diesmal stand Trump für den Wechsel und Harris für das Establishment und jenen Schwierigkeiten, die diesem zugeordnet wurden (vor allem die Inflation)
- die generelle Unzufriedenheit gegenüber Regierenden war ein weiteres Minuspunkt für die großartige demokratische Kandidatin
2.Interessant: über 80 Prozent der Wähler:innen hatten sich bereits vor dem 1.September für einen der beiden Kandidaten entschieden (laut Exitpolls von CNN). Es ging also sehr stark um eine grundsätzliche Stimmung. Und je stärker die Polykrisen, desto stärker ist der Reflex der Verdrängung und die Hinwendung zum Populismus. Trump ist ein Prototyp dafür, er macht den Wähler:innen vor zu wissen, wo es lang geht Und dass es ganz einfache Lösungen gibt. Die Warnung vor dem Untergang der Demokratie ging daneben unter, zumal sie nicht mit glaubwürdigen Vorschlägen für eine Aufwertung und Verbesserung der Demokratie begleitet war. Im Gegenteil: die Realitätsverweigerung wird derzeit bei Wahlen weltweit mehrheitsfähig. Die neuen Schattenpräsidenten Musk und Thiel wissen dies mit ihren ökonomischen und ideologischen Interessenslagen zu nützen.
Es war schwierig für die Demokraten, denn jede Thematisierung der Klimakrise wurde mit der Antwort, diese sei erfunden, blockiert. Wieder wurde falsch, nämlich mit Zugeständnissen an die fossile Lobby reagiert. Dagegen hätte nur ein attraktives Zukunftsbild für die USA, ein Wettlauf der Visionen, der Lösungen und der Chance auf eine gute Zukunft gefruchtet. Doch dazu hatten die Demokraten weder den Mut noch die Zeit.
Eine derartige Phase der Verdrängung und Verleugnung war aufgrund der Klimakrise und den begleitenden Polykrisen zu erwarten. Jetzt wird wichtig sein, ob es uns gelingt, diese Stimmung zu drehen. Und das geht nur mit neuer Kommunikation und einer neuen Strategie. Die nächsten Jahren werden eine weltweite Auseinandersetzung der Kräfte der Finsternis und des Lichts.
3.Worauf werden wir uns in den USA und aus den USA in den kommenden vier Jahren einstellen müssen: vor allem auf tagtägliche Unsicherheit. Trump hat im Gegensatz zu seiner ersten Periode keine Berater mehr, die ihn mäßigen. Er hat eine Agenda, die durchdacht und hochgefährlich ist. Und er ist der Typus Mann, der sich am Ende seiner politischen Karriere möglichst potente Denkmäler setzen will. Jede Verrücktheit ist nun möglich.
Nur weniges ist sicher. Darunter leider der absolute Fixpunkt der Versuch der Demontage der Klimawende, die die USA weitab vom europäischen Interesse in den letzten Jahren recht ambitioniert beschritten wurde.
Trump wird die Klimawende rückbauen versuchen - mit dem Argument, dass dieser „Hoax“ (Trump) teuer und unvernünftig sei. Schon bei seiner Rede nach dem Wahlsieg vom „Liquid Gold“ fabuliert. Die ihn finanzierende fossile Lobby reagierte mit Standing Ovations.
Ich denke allerdings nicht, dass Trump den „Inflation Reduction Act“ des Joe Biden, der in den ganzen USA zu einem enormen Ausbau der Erneuerbaren geführt hat, völlig rückbauen wird. Zu groß sind hier die Interessen gerade auch republikanischer Bundesstaaten wie Texas, Iowa, Kansas oder Süd Dakota, die enorm von der Energiewende profitieren.
Aber Trump wird die Förderung von Öl und Gas massiv ausbauen und beschleunigen und damit verstärkt in den Export zu gehen (was ohnedies aktuell bereits stark geschieht) und damit das fossile Zeitalter noch einmal verstärken und verlängern.
Hier wird sich Europa als Käufer anbieten, um beschleunigt aus Russischem Öl auszusteigen.
4.Besonders problematisch wird sein, dass Trump die USA aus den internationalen Organisationen herausführen wird. Das ist Angesicht der Klimakrise und der anderen Polykrisen, die stärkere multilaterale Politik benötigen würden, dramatisch. Gerade bei der Weltklimakonferenz im nächsten Jahr in Brasilien würde es die Chance auf einen ersten großen Durchbruch zum Schutz der Regenwälder geben. Diese an den Anrainerstaaten geöffnete Tür dürfte sich nun wieder um Jahre schließen. Ebenfalls ein schwerer Rückschlag.
Es wird kein Aus für die Klimawende sein, aber die notwendige Beschleunigung wird blockiert und autoritären Regierungen auf dem gesamten Planeten werden versuchen, dem Beispiel Trumps zu folgen. Daher wird jede nationale Wahl der kommenden Monate eine wichtige Entscheidung einer grundsätzlichen Auseinandersetzung zwischen lösungsorientierten Parteien und Autoritären.
5.Trumps Politik wird viele weitere Opfer verursachen - etwa jene Migrant:innen, deren Massendeportation (!) er angekündigt hat. Hier ist zu befürchten, dass er seine Ankündigungen in aller Brutalität durchzieht. Auch um damit in den USA die Polarisierung fortzusetzen und zu verschärfen.
6.Sehr problematisch könnte die Lage aber auch für die Ukraine und Europa werden. „Innerhalb von 24 Stunden“ werde er in der Ukraine für Frieden sorgen, hat Trump mehrfach geprahlt. Seine Angelobung wird am 20.Jänner erfolgen, er könnte also einen Paukenschlag zum Start seiner zweiten Amtszeit versuchen. Für die Ukraine ein enormer Druck, Putins Aggression in wichtigen Bereichen nachzugeben.
Dieser wächst, je schlechter der Zustand der Regierungen in Deutschland und Frankreich.
7.Die tägliche Unsicherheit, tägliche Verrücktheiten, vielfache Rückschritte werden die Engagierten immer wieder verunsichern und frustrieren. Sie dürfen uns allerdings nicht in die Resignation treiben.
Jede große Revolution erlebt dunkle Phasen, Phasen der Stagnation und des Rückschritts. Wesentlich ist, dass wir in diesen aktiv bleiben, nach einer Phase des Trauers wieder einen Glauben an unsere Mission finden und neue Lösungen und Wege versuchen.
8.Ich werde daher in den nächsten Monaten mit aller Kraft für meine neuen Ansätze werben: für Hoffnung und Ermutigung, für ein Sichtbarmachen der Erfolge und Lösungsmodelle, für einen Glauben an eine guten Zukunft durch die Klimawende, für positive Kommunikation, für die Umsetzung von Lösungsmodellen in den Regionen und für gemeinsames Handeln über Parteigrenzen hinweg.
Ich arbeite dafür gemeinsam mit anderen an Projekten und hoffe, dass ich davon in wenigen Wochen berichten kann. Denn jetzt braucht es Mut für neue Wege statt Schockstarre und Resignation.