Mein neuer Beruf: Vortragender

 Was macht der Anschober eigentlich, werde ich oft gefragt. Nein, ich lebe nicht von Privilegien und einer Politikerpension in Saus und Braus, wie manche unterstellen, sondern ich arbeite wie jeder andere auch. Konkret arbeite ich als Vortragender, Autor und Berater. Was macht ein Vortragender, das wusste ich bis vor zwei Jahren auch nicht. 

Heute Vormittag um 9 Uhr halte ich im Kardinal König Haus in Wien den 112.Vortrag seit meinem Ausstieg aus der Parteipolitik. Das hätte ich nie für möglich erachtet. Veranstalter kommen aus fast allen Bereichen: Gemeinden, Organisationen, Institutionen, Vereine - heute etwa die Österreichische Ordenskonferenz. 

Aber wie funktioniert das? Meist kommen über meine Mailadresse rudolf.anschober@gmail.com Anfragen herein. Jene des heutigen Ordenstages, übrigens eine öffentliche Veranstaltung, wurde im heurigen Februar gestellt. Darin wird kurz geschildert, um welche Veranstaltung es geht, welches Ziel verfolgt wird. Ich stelle dann ein paar Zusatzfragen, checke den Termin, ob er frei ist und sage dann zu oder ab - in drei Viertel der Fälle ist es eine Zusage, weil kaum problematisch Anfragen gestellt werden und sehr viele sehr reizvoll sind. Rasch habe ich dem Ordenstag zugesagt für den heutigen Tag. Es war im Februar - ich lag gerade mit meinem Bandscheibenvorfall im Spital - ein noch freier Termin und die Aufgabe schien mir reizvoll: die Keynote, 45 Minuten und natürlich völlige inhaltliche Freiheit (ansonsten würde ich eine Anfrage nicht einmal beantworten, ist übrigens auch nie erfolgt).

Es gibt Monate ohne Anfragen - da wird man dann schon etwas unruhig - und dann kommen in einer Woche eine ganze Reihe, oft sind es Veranstalter, die bereits bei einem Vortrag waren oder die Empfehlung erhalten haben. Ich habe ja keine Agenturen oder Promotoren. 

Dann geht es per Mail ein paarmal hin und her zur Kl#rung der letzten Fragen, ich schicke einen Vertragsentwurf, der kommt ausgefüllt und unterschrieben zurück, Termin wird eingetragen und kommt in den Veranstaltungsordner am Mac.

Meist eine Woche vor der Veranstaltung eine letzte Kontaktaufnahme, in diesem Fall schilderten mir die Veranstalter das restliche Programm, den Ablauf, die Technik etc. Dann beginne ich eine PPP zu erarbeiten, die maßgeschneidert ist für die Veranstaltung - heute etwas eine Dreigliederung. Thema des Ordenstages ist „wirksam und gegenwärtig“ - also Orden, die sich in die gesellschaftliche Verantwortung einbringen.

Ich starte heute mit den Grundprinzipien von Öffentlichkeitsarbeit am Beispiel der Zugvögel. Was es braucht und dass Öffentlichkeit alleine nichts bewirkt.

Dann schauen wir uns näher die Vertrauenskrise an und schließlich die Polykrise und ihre Lösungsoptionen.

Und enden bei der Hoffnung als tragender Faktor der Wirksamkeit.

Nach meiner Keynote bleibe ich noch einige Stunden auf der Veranstaltung. Zuhause wird der Vortrag noch einmal analysiert, die Reaktionen bedacht, Potenzial für Weiterentwicklung überlegt, die Honoratnote übermittelt, die Buchhaltung gemacht.

Ein Monat später kontrolliert, ob die Zahlung erfolgt ist. Wenn nein, muss ich nochmals nachfassen. Ansonsten werden von den Einnahmen die Steuern und meine Versicherungen bezahlt, dann das Büro, die Steuerberaterin, die EDV samt Unterstützer, Reisekosten - und schließlich mein Leben. Ich hab es mir einmal durchgerechnet, dass mir von einem Honorar ein Viertel real bleibt für meinen Lebensunterhalt. Damit werde ich nicht reich, aber das wollte ich ohnedies nie, es geht sich gut aus. Und vor allem kann ich so mein Wissen, meine Erfahrungen, meine politischen Anliegen weitergeben. Dafür bin ich sehr dankbar. Denn ich habe mich zwar endgültig aus der Parteipolitik zurückgezogen, aber ein politischer Mensch werde ich immer bleiben.

Für einen Vortrag entsteht - ohne Reisezeit - ein Aufwand von rund 24 Stunden, die viele Recherchezeit für die Weiterentwicklung des Wissens, die Denkarbeit, die vielen Stunden Diskurs mit Wissenschaftler natürlich nicht eingerechnet.

Das ist der Vorgang bei bezahlten Vorträgen. Dazu gibt es viele, die ich unbezahlt mache: zB am Donnerstag die Überreichung der Preise für für die besten Modelle gegen Einsamkeit, nächste Woche in Linz ein Vortrag für einen befreundeten Mediziner und einige Tage darauf eine Diskussion beim Falter, mit der ich die Frage der notwendigen Aufarbeitung der Pandemie intensiv thematisieren möchte.

Das schönste an den wirklich wunderbaren Veranstaltungen sind die großartigen Menschen, die ich vor, während und großteils in den Gesprächen nach dem Vortrag, oft dann auch mit späterer Kontaktaufnahme kennenlerne. Sie sind ein wesentlicher Quell meiner Hoffnung, die mir Mut macht und Energie gibt.

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