Am Weg zur Spaltung?

 Gestern Abend habe ich wieder einmal Post von Erwin bekommen, eines von einer Handvoll, immer gleicher Mails, die täglich Beschimpfungen und Drohungen übermitteln. Diesmal kündigt Erwin nach den nächsten Nationalratswahlen einen „blauen Himmel“ an, dann würde auf uns alle „Haft, Gulag und Urlaub  an der Ukrainefront“ warten. 

Mitbürger wie ihn hat es immer gegeben, aber sie werden derzeit lauter, aggressiver und selbstbewusster und auch mehr. Der Politikwissenschaftler Laurenz Ennser-Jedenastik hat am Wochenende eine spannende Analyse publiziert: die Konsument:innen unterschiedlicher Medien gehen nach Parteilager stark auseinander. Bei Telegram und YouTube, aber auch Facebook liegt der Anteil von FPÖ-Wähler:innen stark über dem Durchschnitt, bei Insta und Twitter dominieren NEOS bzw SPÖ. Bei allen Medien zieht sich eine politische Teilung durch.

Das ist ein weiteres Indiz, dass wir uns auseinander entwickeln. Für eine Gesellschaft ist das nicht gut, weil wir durch extrem unterschiedlichen Zugang zu Informationen uns ein immer gegensätzlicheres Weltbild schaffen und damit immer stärker aneinander vorbeireden. Algorithmen verstärken diese Tendenz.

Dem kann nur entgegen gewirkt werden, indem wir wieder über diese Grenzen miteinander sprechen. Nicht wie Erwin, sondern in einem respektvollen Umgang. Dafür wird es neue Formate brauchen. Ein sehr brauchbares habe ich am vergangenen Freitag im Stift Wilhering erlebt: 50 Teilnehmer:innen aus unterschiedlichen Bereichen beschäftigten sich, von Expert:innen begleitet, einen Tag lang in einem vertraulichen Rahmen intensiv mit den brennenden Themen der Zeit. Es ist wirklich wohltuend, in einem guten Tonfall unterschiedliche Zugänge und Überlegungen zu hören. Sie könnten Multiplikatoren werden.

Ich bin überzeugt, dass wir die neue Kultur des Dialogs in den Gemeinden beginnen müssen. Und ich glaube, dass ein Impuls dafür vom Parlament kommen sollte, durch einen Startimpuls möglichst vieler Fraktionen. Alle Medien sollten daran beteiligt werden. Nur dann wird ein neuer Diskurs vor Ort gelingen.

Nicht wieder eine neue Ankündigung - was wurde eigentlich aus den letzten Initiativen zur Versöhnung? Sondern ein konkretes Konzept, eine Budgetierung und eine Umsetzung, die noch heuer beginnen muss. Ideal vor einem beginnenenden NR-Wahlkampf…

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