Tagespendler

 Guten Morgen! 

Derzeit bin ich Tagespendler in Sachen Lesereise: so wie gestern am Nachmittag mit dem Zug in den Lesungsort und nach der Lesung gleich wieder retour nach Wien. Und kurz nach Mitternacht erreiche ich noch die letzten Öffis bis nach Hause. Funktioniert exakt. Das war gestern so und wird hoffentlich auch heute so sein.

Gestern war Wels das Ziel. Am Weg studiere ich die aktuelle Entwicklung der Pandemiezahlen, so wir ich befürchtet habe schauen die nach der Abschaffung der Schutzmassnahmen nicht gut aus. Trotz stark gesunkener Testzahlen, steigen die Neuinfektionen stark ein. Im Schnitt liegen wir derzeit bei über 3000 Neuinfektionen pro Tag, das ist fast zehnmal so hoch wie vor einem Jahr. Kritisch ist auch, dass der Reproduktionsfaktor erstmals wieder über 1 liegt. Steigende Zahlen zu dieser Jahreszeit, das ist sehr ungewöhnlich. Schaden wir uns mit verfrühten Öffnungen wieder selbst? 

Walter hat mich am Bahnhof abgeholt, zuerst besuchten wir das Stadtfernsehen WT1 zum Interview, dann die “Oberösterreicherin” zum langen Interview. Dazwischen noch ein erfrischendes Eis und rüber in das wunderbare Kulturhaus Schlachthof. Beim Eingang wartet schon ein Man auf mich:”Plandemie oder Pandemie?”, ruft er mir entgegen und will damit provozieren. Ich wechsle ein paar Sätze mit ihm und es ist fast kurios: seine Sätze sind ident mit jenen, die Corona-Leugner Engelbert in meinem Buch spricht. Gespenstisch und keinerlei Bereitschaft zu Dialog.

Und dann im Saal das Wiedersehen mit vielen alten Bekannten in meinem Geburtsort “Wös” - back to the roots. Lesung, eine sehr differenzierte Diskussion, schöne Gespräche beim Signieren der Bücher. 

Dank Walter sind wir rechtzeitig kurz nach 22 Uhr am Welser Bahnhof, die ÖBB hat leichte Verspätung. Und wir haben dadurch Zeit, am Bahnsteig mit dort ebenfalls wartenden Eisenbahnern zu sprechen. Von den Kapazitätenproblemen der Bahn erzählen, von der Schwierigkeiten, zusätzliches Wagenmaterial zu kaufen, um die immer größere Zahl an Fahrgästen problemlos transportieren zu können. Jede Veränderung ist Krise und Chance zugleich.

Hinein in den Zug, wieder bin ich der einzige Maskenträger. Ich muss lachen, als ich lese, dass mir ein sonst sehr engagierter Journalist auf Twitter “Maskenfetischismus” vorwirft und viele andere sich in Postings offensichtlich selbst einreden wollen, dass die Pandemie vorbei sei. Jetzt aber wichtig. Genau das verhindert, dass wir das Virus in den Griff kriegen. Derzeit lernen wir als Gesellschaft nichts dazu. Derzeit ist das Virus mit seinem enormen Tempo der Evolution offensichtlich stärker als wir Menschen mit unserer Innovation und unserer gesellschaftlichen Solidarität. Die immer stärker werdende neue Variante BA5 ist noch deutlich ansteckender und erfolgreicher bei der Immunflucht. Keine gute Entwicklung, aber die Menschheit wird reagieren. Hoffentlich nicht wieder sehr spät.

Im Zug wieder eine gute Arbeitsatmosphäre und von Wels bis Wien genug Zeit für das Konzipieren eines Textes. In Meidling ist er fertig.

Heute wieder fast dasselbe, heute geht die Reise am Nachmittag nach Lambach, diesmal holt mich Franz ab. Jener Franz Prieler, der den heutigen Abend moderieren wird und mit dem ich vor vielen Jahren gemeinsam mit Gerhard Marschall Kabarett gespielt habe. Daran musste ich mich gestern erinnern: denn auf derselben Bühne im Schlachthof bin ich vor 24 Jahren gestanden mit unserem Kabarettprogramm “Reiche Erfahrungen”, Texten zum Skandal beim Bau der Pyhrnautobahn, der von mir aufgedeckt worden war.

Heute gehts in Lambach im Lichtspieltheater um 19 Uhr los. Gleich nebenan, im Dorf “Hofer” habe ich meine erste Lebenszeit verbracht. Erinnerungen an unser “Sacherl”, Erinnerung an die Stube, an den Stall, der vis a vis des Vorhauses gelegen war. Erinnerung an den Eber, den ich bei meinen ersten Schritten an den Ohren hielt und ihm in die Augen sah. Vielleicht war das die erste Prägung als Tierfreund?

Ich freue mich auf den heutigen Abend! Und dann wieder retour nach Wels, Amstetten, St.Pölten und Meidling. Und wenn alles gut geht, öffne ich um 0.30 wieder die Wohnungstür.

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